Qualitäts-Hörgerät: Kein Anspruch auf volle Kostenerstattung

Kosten Hörgerät
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Privat Versicherte erhalten von ihrem Versicherer die Kosten für Hilfsmittel wie Hörgeräte oder Prothesen im Rahmen der versicherten Tarifleistung erstattet. Doch was passiert, wenn das Hilfsmittel neben den medizinisch notwendigen Funktionen noch eine zusätzliche Komfortausstattung enthält? Wer übernimmt die Kosten für diese Zusatzmerkmale? Der Bundesgerichtshof kam in einem aktuellen Urteil zu der Entscheidung, dass solche Kosten durchaus vom Versicherten selbst getragen werden müssen (Az. IV ZR 419/13 v. 22.04.15). Das Urteil könnte grundsätzliche Bedeutung für weitere Verfahren haben, sofern es rechtskräftig wird. Vor allem aber stärkt es die Position der privaten Krankenversicherer und schwächt die Seite der Versicherten.

Medizinische Notwendigkeit als Maß der Dinge

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger auf Verordnung seines Arztes ein Hörgerät für rund 3.100 Euro erworben. Dieses war zwar von seinem Arzt empfohlen worden, enthielt aber auch Funktionen und Ausstattungsmerkmale, die für den Versicherten aufgrund der gestellten Diagnose nicht erforderlich waren. Vielmehr wäre nach Meinung des Versicherers ein Gerät ausreichend gewesen, das nur etwa 1.500 Euro gekostet hätte. Da der Tarif auch nur eine Kostenerstattung für Hilfsmittel im Rahmen der „medizinischen Notwendigkeit“ vorsah, wurde lediglich dieser Betrag erstattet. Gegen diese Teilerstattung reichte der Versicherte Klage ein.

Vor dem Berufungsgericht hatte der Kläger zuerst Erfolg. Die zweite Instanz entschied, dass es bei der Frage nach der Erstattungsfähigkeit für die Hörgerätkosten darum geht, dass die Hauptfunktion des Geräts für den Kläger medizinisch notwendig sei, um die Beeinträchtigung des Hörvermögens auszugleichen. Da das erworbene Gerät diese Funktion erfülle, sei keine Überversorgung gegeben, deshalb seien die Kosten für das Hilfsmittel in vollem Umfang vom Versicherer zu zahlen.

Der Versicherer wollte dieses Urteil nicht akzeptieren und ging vor dem Bundesgerichtshof in die zulässige Revision. Das oberste Gericht hob nun die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Sache zur neuerlichen Prüfung an das Berufungsgericht zurück. Zur Begründung führte der BGH aus, dass der Versicherer das Recht habe, sich vor der Kostenübernahme bei einer Überversorgung zu schützen. Dies sei das erklärte Ziel der Übermaßregelung, die für Hilfsmittel und für Heilbehandlungen gleichermaßen zur Anwendung komme. Sofern diese Übermaßregelung nicht zur Anwendung komme, sei die Gefahr einer Überversorgung zu Lasten des Versicherers zu groß. Dies gelte insbesondere in Fällen, in denen das konkrete Hilfsmittel vom Versicherungsnehmer selbst auszuwählen sei. Somit übersteigen die erstattungsfähigen Aufwendungen für ein ärztlich verordnetes Hilfsmittel das medizinische Maß der Dinge im Sinne der Versicherungsbedingungen, wenn das Hilfsmittel zusätzliche und nicht benötigte Funktionen oder Ausstattungsmerkmale besitzt. Auch wenn es preiswertere Ausführungen des Hilfsmittels gibt, die die nötigen medizinischen Anforderungen erfüllen, besteht eine Überversorgung. Zwar muss der Versicherer den Beweis erbringen, dass es eine adäquate und preiswertere Alternative gibt. Ist diese Alternative allerdings gefunden, steht ihr Preis gleichzeitig für den maximal erstattungsfähigen Betrag im Rahmen der medizinischen Notwendigkeit. Alle Kosten, die darüber hinaus gehen, sind vom Versicherten zu zahlen, der selbstverständlich die freie Wahl hat, sich ein Gerät mit weiteren Ausstattungsmerkmalen zuzulegen. Die anfallenden Mehrkosten sind allerdings von ihm aus eigener Tasche zu zahlen.

Im vorliegenden Fall muss die Vorinstanz nun entscheiden, ob der Versicherer berechtigt behauptet hat, dass eine für den Kläger ausreichende und preiswertere Alternative zur Verfügung steht. Nach Meinung des BGH wird die Einschaltung eines Sachverständigen erforderlich sein, der auch klären muss, ob die Eignung eines Hörgeräts zur Behandlung von bestimmten Hörproblemen allein mit Hilfe der technischen Daten festzulegen ist.

So beugen Verbraucher vor

Für den Versicherten ist es im Grunde ein klarer Fall: Er benötigt eine Hörhilfe, um wieder aktiv am Leben teilnehmen zu können. Vielleicht handelt es sich aber auch um ein anderes Hilfsmittel wie Prothesen, Einlagen oder sogar Sehhilfen. Wer sich zum ersten Mal mit der breiten Auswahl an Hilfsmitteln beschäftigt, wird schnell feststellen, dass es einfache Ausführungen gibt, die lediglich der medizinischen Notwendigkeit entsprechen. Ganz sicher gibt es aber auch hochfunktionale Geräte, die weit mehr als eben diese medizinische Notwendigkeit abdecken. So wie es Brillengläser in einfacher Ausfertigung, aus Kunststoff, verspiegelt oder mit Gleitsichtglas gibt, sind auch bei Hörgeräten, bei Prothesen oder bei Kontaktlinsen die Möglichkeiten sehr weit gefasst. Natürlich möchte man in der Regel ein hochfunktionales Hilfsmittel, das ein Mindestmaß an Komfort gewährleistet. Also entscheidet man sich schnell für das Qualitätsgerät, das nach eigener Einschätzung von der privaten Krankenversicherung sicher gezahlt wird. Genau an dieser Stelle sind Versicherte gut beraten, sich mit ihrem Versicherer in Verbindung zu setzen.

Meist ist schon in den Versicherungsbedingungen ein einschlägiger Hinweis enthalten. Er besagt in etwa, dass Kosten für Hilfsmittel erstattet werden, sofern eine „medizinische Notwendigkeit“ gegeben ist. Auch kann der Versicherer attestieren, die Kosten für eine „zweckmäßige Ausführung“ zu übernehmen. Für den Versicherten ist das ein wichtiger Hinweis, dass zwar ein gewisser Teil der Kosten durchaus gezahlt wird. Doch wer sich für eine Luxusausstattung entscheidet, muss einen erheblichen Anteil aus eigener Tasche zahlen. Das zumindest lassen die Versicherungsbedingungen vermuten.

Wer ganz sicher sein will, wendet sich am besten noch vor der Bestellung des Hilfsmittels an seinen Hörgerät- oder Hilfsmittelspezialisten. Er kann Unterlagen über das gewünschte Gerät bereitstellen, die der Versicherte bei seiner Gesellschaft vorlegen kann. Diese wird dann innerhalb kurzer Zeit prüfen, ob und in welcher Höhe sie die Kosten übernimmt. Zwar ist dieses Vorgehen in der Regel nicht zwingend vorgeschrieben. Die Tarifbedingungen der PKV-Versicherer sehen bei der Beschaffung von Hilfsmitteln üblicherweise keine Vorabstimmung mit dem Versicherer vor, der Versicherte kann das benötigte Gerät vielmehr sofort nach der Vorordnung durch den Arzt beschaffen. Wer sich aber zuerst mit seiner Gesellschaft in Verbindung setzt, hat die Gewissheit, frühzeitig über die Höhe der Kostenübernahme informiert zu sein. So bleibt genügend Zeit, sich entweder für ein günstigeres Gerät zu entscheiden oder die geringere Kostenerstattung durch den Versicherer zu akzeptieren und rechtzeitig Vorsorge zu treffen, um den Eigenanteil anzusparen und zurückzulegen.

Rechtskräftiges Urteil noch ausstehend

Aus dem vorliegenden Fall geht auch hervor, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, da es zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz verwiesen wurde. Bis es dort erneut vor Gericht verhandelt wird und bis das eingeforderte Gutachten vorliegt, dürften einige Monate ins Land gehen. Bis dahin ist die Rechtslage weiter offen, das Verfahren bleibt vorläufig in der Schwebe.